Die Vorgeschichte
Als Marianne Strauß am 22. Juni 1984 spät in der Nacht durch einen tragischen Verkehrsunfall im Alter von erst 54 Jahren viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde, verloren der Bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß seine geliebte Ehefrau, und die Kinder Max Josef, Franz Georg und Monika ihre großherzige Mutter.
Das alles wäre kein Unterschied zu Familien mit ähnlichem Schicksal gewesen. Hier aber ging es um eine erweiterte Dimension: viele Kranke, Behinderte, Hilflose und Bedürftige in Bayern traf der Tod der Bayerischen Landesmutter hart: Sie wussten in ihr eine Fürsprecherin, die sich in liebevoller Zuwendung für sie stark gemacht hatte. „Nächstenliebe akzeptiert den anderen, wie er ist. Also auch den Schwerstbehinderten, den Hilflosen, den Unheilbaren, er braucht kein Mitleid, sondern konkrete Hilfe für ein möglichst erfülltes Leben in seiner verengten Welt“, hatte Marianne Strauß immer wieder betont. „Ohne private Hilfe geht es nicht.“
Um Bestimmung und Arbeit der Marianne Strauß Stiftung in Gänze erfassen zu können, ist ein tiefgehender Rückblick auf das soziale Werk der Ehefrau von Franz Josef Strauß unerlässlich. Schon kurz nach der Hochzeit 1957 begann Marianne Strauß, sich sozial zu engagieren. „Machen Sie etwas daraus“, hatte ihr die Frau des damaligen Postministers und CSU-Parteifreundes Richard Stücklen geraten, nachdem Marianne Strauß ihrem Mann, damals Bundesminister für Verteidigung, nach Bonn gefolgt war. Sie übergab ihr eine Liste mit Namen ostdeutscher Provenienz. Fortan schickte Marianne Strauß Päckchen in die „Zone“, wie die DDR damals genannt wurde. 30 bis 40 bedürftige Familien in der DDR bekamen so Jahr für Jahr eine Zuwendung aus dem Westen – diese Gewohnheit behielt Marianne Strauß bis zu ihrem Tod bei. Sie erwarb, bestückte und packte die Pakete persönlich.
Nachdem die drei Kinder Max Josef (*1959), Franz Georg (*1961) und Monika (*1962) aus dem Gröbsten heraus waren und Franz Josef Strauß 1978 als Bayerischer Ministerpräsident von der Bundes in die Landespolitik gewechselt war, machte Marianne Strauß ihr soziales Engagement neben ihrer Familie zu ihrem Lebensinhalt. Als Ehefrau des Bayerischen Ministerpräsidenten verwaltete sie für ihren Ehemann auf dessen Bitte einen kleinen Etat, der aus dem Sozialfonds der Staatskanzlei stammte. Marianne Strauß beschränkte sich allerdings nicht darauf, da und dort Geld zu verteilen, sondern sie kümmerte sich intensiv um die Geschicke vieler Menschen, die Hilfe nötig hatten. Und die Menschen brauchten sie! „Glauben Sie mir, die Flut von Briefen und Anliegen, die mich laufend erreicht, sagt oft deutlicher, wo der Schuh drückt, als große Analysen und Programme“, hat Marianne Strauß einmal bemerkt. Wenn sie von einzelnen Schicksalen erfuhr, tat sie, was sie konnte: „Offen sein, zuhören, Mut machen und konkret helfen, wenn dies im Einzelfall möglich ist.“ So kümmerte sie sich persönlich um Familien in schwierigen Verhältnissen, vermittelte Lehrstellen und Patenschaften, war morgens am privaten Telefon erreichbar und half, wo sie konnte.
Zur eher verborgenen individuellen Hilfe kam die breite öffentliche, nämlich die Unterstützung vieler Verbände der Wohlfahrtspflege. So engagierte sie sich im Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, im Kuratorium der Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“, im Stiftungsrat der Stiftung Pfennigparade für Poliogelähmte und Körperbehinderte, oder bei der Multiple-Sklerose-Gesellschaft in Bayern. Als deren Schirmherrin setzte sie sich mit Nachdruck für den Aufbau einer hochspezialisierten Klinik für MS-Kranke am Starnberger See ein.
„Wir alle brauchen Freunde! Um wieviel mehr muss dies für Kranke oder Behinderte gelten. Auch sie brauchen mitmenschliches Verständnis und tatkräftige Hilfe als Zeichen der Freundschaft. Wir dürfen uns weder als Sozialstaatsbürger noch als Christen mit dem, was staatliche Sozialpolitik leisten kann, zufriedengeben“, sagte Marianne Strauß 1980 bei einem Informationsabend des Sozialwerks der Multiple-Sklerose-Gesellschaft Bayern, der über das geplante MS-Behandlungszentrum in Kempfenhausen am Starnberger See informierte. Zusammen mit Frau Dr. Veronika Carstens, der Ehefrau des damaligen Bundespräsidenten, setzte sie sich vehement dafür ein, dass MS-Kranke eine nur für sie auf höchstem wissenschaftlichen Niveau arbeitende Einrichtung erhielten. Ihr zu Ehren heißt das Krankenhaus heute Marianne-Strauß-Klinik.
Wichtig war Marianne Strauß der persönliche Kontakt mit den Menschen. Sie war sich nicht zu schade, mit der Sammelbüchse auf die Straße zu gehen, aber auch renommierte Adressen aus der Wirtschaft anzugehen, um Spenden zu sammeln. Im Februar 1984 begleitete sie den „Sonnenzug“ der Caritas nach Rom. Alte und behinderte Menschen bekamen mit dem Sonnenzug die Gelegenheit, aus ihrem oftmals engen Lebensumfeld herauszukommen. Marianne Strauß hat diese Aktion immer besonders unterstützt. In Rom begegnete sie auch dem Papst: Johannes Paul II. empfing die Teilnehmer des Sonnenzuges und wechselte mit ihnen persönliche Worte, so auch mit der Bayerischen Landesmutter. Marianne Strauß machte nie großes Aufheben um ihre Person und ihr soziales Engagement. „Wichtige Dinge muss man häufig im Stillen tun, weil sie da besser gedeihen.“
Dieses vielseitige Engagement für die Armen und Kranken sollte durch ihren Tod kein plötzliches Ende finden. Nach der Beisetzung von Marianne Strauß in der Familiengruft am 28. Juni 1984 saß die Trauergesellschaft im Landgasthof Stechl in Rott am Inn beisammen. Dort überlegte die Familie zusammen mit Freunden und politischen Weggefährten: Wie sollte das –nun als besonders empfundene –Lebenswerk von Marianne Strauß fortgeführt werden? Ein Stipendiat, ein Preis, eine Stiftung? „Da muss man doch was machen! Zur Erinnerung an sie“, hätten ihm viele Trauergäste bereits an diesem Tag mit auf den Weg gegeben, erzählt Franz Georg Strauß. Das Thema blieb drängender als viele anderen. Monika sollte, obwohl frisch verheiratet und im Studium, öffentliche Pflichten übernehmen. Aber die tägliche Arbeit für die Einzelfälle? Persönliche Neigungen von Marianne Strauß sollten den Ausschlag geben. Sie war sehr gerne mit einem befreundeten Kreis in die Oper gegangen, dem Elke Gräfin von Pückler als enge Freundin angehörte, was sich als segensreich erweisen sollte. Aus dem Gespräch mit diesem Kreis kam letztlich der Impuls zu der Entscheidung zugunsten einer Stiftung. Franz Josef Strauß war wichtig, dass die Stiftung frei von persönlicher Profilierung bleiben sollte, die sich im politischen Geschäft ergeben kann, um das Werk von Marianne Strauß in ihrem individuellen Sinne fortführen zu können. So wurde die Stiftung bereits im August 1984 auf Basis seiner Entscheidung und Unterstützung von den Kindern errichtet.
Im Vorwort der Stiftungsurkunde heißt es: „In dankbarer Würdigung des von unserer Mutter geleisteten Werkes der christlichen Nächstenliebe, ihrer vom Gedanken der Hilfe zur Selbsthilfe wie der schnellen Hilfe für Hilflose getragenen sozialen Arbeit sowie ihres vom christlichen Menschenbild geprägten kulturellen Handelns errichten wir Kinder Monika Hohlmeier, geb. Strauß, Max Strauß, Franz Georg Strauß, die Marianne Strauß Stiftung.“ Die Mitglieder der Gremien der Stiftung hatten eine besondere Nähe zu Marianne Strauß wie auch zu ihrer Liebe zur Oper.
Der Start der Stiftung
Die Marianne Strauß Stiftung wurde bereits im August 1984 vom Bayerischen Staatsministerium des Inneren genehmigt. Bei Gründung ging man davon aus, dass der Arbeitsumfang in etwa dem von bisherigen entsprechen würde.
Doch die Stiftung wuchs schnell. Bereits 1984 wurde ein kleines Büro bezogen, 1986 folgte der Umzug in ein größeres, das heutige Büro besitzt die Stiftung seit 1992, die Mittel zum Kauf kamen aus einer großzügigen Erbschaft, die seither wesentlich hilft, die Arbeit der Stiftung zu leisten.
Im Februar 1985 lud die Marianne Strauß Stiftung 2000 Gäste in die Bayerische Staatsoper zu einer Operngala, die noch heute Sonderstatus hat. Diese Gala und viele folgende Veranstaltungen waren Anlass für viele Spenden. Zum Jahrestag des Todes von Marianne 1985 fasste Prälat Toni Maier unter dem Eindruck der das Geschehen treffend zusammen: „Viele wollen ihr nach dem Tod den Dank abstatten und die Anerkennung zeigen, wozu sie zu Lebzeiten nicht gekommen waren.“
Zudem zeigte sich, dass das Konzept der Stiftung, von eingehenden Spenden nichts für Verwaltung zu verwenden, großen Anklang fand, auch das Vorgehen, „schnell und unbürokratisch zu helfen“, kam an und fand auch außerhalb der Stiftung viele Nachahmer.
Die Gala wurde vom ZDF kurz darauf an einem Sonntagabend ausgestrahlt. Die Folge waren weitere Spenden, aber auch viele Hilferufe von allen Seiten. Die Stiftung war in der Öffentlichkeit angekommen, Spender und Hilfesuchende wissen seither, was sie für unschuldig in Not Geratene leistet. Zu seinem 70. Geburtstag am 6. September 1985 bat Franz Josef Strauß anstelle von Geschenken um Spenden für die Marianne Strauß Stiftung, was für viele ein Anlass war, ihren persönlichen Dank an ihn nun konkret auszudrücken. 1985 wurde so zum entscheidenden Jahr für die Marianne Strauß Stiftung. „Der Wind war günstig und wir setzten die Segel“ fasste Franz Georg Strauß 30 Jahre später die Geschehnisse zusammen.